Auftakt-Interview: Diese Pläne hat das neue Leitungsduo der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Potsdam
Seit Anfang 2022 haben Thomas Gottschall als Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe im DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig und Robert Winkelmann als Geschäftsführer die Leitung der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) übernommen. Was zeichnet ihrer Meinung nach die Werkstätten aus? Welche Ideen hat das neue Leitungsduo für die Einrichtung, welche Potentiale sehen sie? Im Interview geben sie Einblicke in ihre Jobs – und was sie kurz-, mittel- und langfristig angehen wollen.
Herr Gottschall, Sie waren von 2015 bis 2019 Referent im Bereich Eingliederungshilfe im DRK-Landesverband Brandenburg und von 2019 bis Ende 2021 Abteilungsleiter für Inklusion und Vielfalt im DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald. Was hat Sie dazu bewegt, als Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe in Potsdam anzufangen?
T. Gottschall: Schon in meiner Zeit beim DRK-Landesverband Brandenburg habe ich im Bereich Eingliederungshilfe gearbeitet, Ideen entwickelt und versucht, operative Geschäftsfelder weiterzuentwickeln. Ich habe in dieser Zeit jede Menge wertvolle Kontakte in der Eingliederungshilfe in Brandenburg geknüpft.
Zudem haben habe ich mich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Potsdam ausgetauscht und wir haben gemeinsame Projektideen entwickelt, zum Beispiel Erste-Hilfe-Kurse für Werkstattbeschäftigte.
Dadurch habe ich schon einen Großteil des Teams aus der Werkstatt und der Wohnstätte vor meinem Start im Januar gekannt. In der Zeit als Referent hat mich der Transfer in das Operative am meisten bewegt, da wir meiner Meinung nach nur in der Praxis Denkmuster und gesellschaftliche Paradigmen auflösen können.
Darum bin ich 2019 in die Praxis der Eingliederungshilfe gewechselt: Erst in die Position des Abteilungsleiters Inklusion und Vielfalt im DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald und nun als Fachbereichsleiter der Eingliederungshilfe im DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig.
Worin unterscheidet sich ihr neuer Job im Vergleich zum vorherigen?
T. Gottschall: Meine Arbeit im DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald hat insbesondere in der Geschäftsfeldentwicklung und der fachlichen Weiterentwicklung gelegen. Ich konnte auf viele gut ausgearbeitete Strukturen aufbauen, was zum einen natürlich Vor-, aber auch Nachteile mit sich brachte.
Der Fokus meiner neuen Position im DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig liegt ähnlich, bietet aber auch einen konkreteren Auftrag, nämlich: neue Angebote und Synergien für den ländlichen Raum um die Landeshauptstadt Potsdam etablieren. Gleichzeitig lebe ich in Potsdam und erwarte 2022 Nachwuchs. Mich reizt nicht nur die neue Herausforderung enorm, sondern ebenso die kürzeren Fahrzeiten und das Plus an Zeit mit meiner Familie.
► „Mich reizt die neue Herausforderung enorm.“
Thomas Gottschall, Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe beim DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig
Herr Gottschall, was sind ihre konkreten Aufgaben als Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe im DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig?
T. Gottschall: Es ist mir wichtig, das weiter auszubauen, was gut funktioniert und mein Vorgänger Jörg Schröder gemeinsam mit dem Team und den Beschäftigten der Werkstätten aufgebaut hat. Gleichzeitig sehe ich so viel Potential im Unternehmen, das bisher noch nicht genutzt wurde. Dementsprechend groß ist meine Motivation an meine neue Stelle:
Ich möchte einerseits Altbewährtes prüfen und gegebenenfalls aufbrechen, aber andererseits die Angebote für Menschen mit Behinderungen kontinuierlich und vor allem nachhaltig und ökologisch weiterentwickeln. Dabei setze ich auf ein partizipatives, transparentes und vor allem empathischen Management.
Inwiefern verändert sich die Position des Geschäftsführers durch das Installieren eines Fachbereichsleiters?
R. Winkelmann: Die verschiedenen Bereiche des DRK-Kreisverbands Potsdam/Zauch-Belzig sind so strukturiert, dass eine Person als Fachbereichsleiterin oder -leiter das Team führt. Diese Personen sind jeweils die Hauptansprechpartnerinnen und -partner für den jeweiligen Bereich und sind das Bindeglied zwischen der Geschäftsführung sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
In den Werkstätten hat es eine solche Position bis Anfang 2022 nicht gegeben, sodass wir im Zuge des Generationenwechsels uns entschlossen haben, Herrn Gottschall als Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe zu gewinnen.
Damit kann er sich komplett auf die inhaltliche Ausrichtung und Qualität der Werkstätten konzentrieren, während ich mich als Geschäftsführer um die strategische Ausrichtung kümmere. Ich beschäftige mich beispielsweise mit Vergütungsvereinbarungen der Eingliederungshilfe und um eine bestmögliche Anbindung und Implementierung der Werkstätten an den gesamten DRK-Kreisverband.
Herr Winkelmann, wie ist ihre Beziehung zum Thema Inklusion, zu Menschen mit Behinderung?
R. Winkelmann: Es ist so, dass ich mit Thomas Gottschall schon im Bereich Eingliederungshilfe im DRK-Landesverband Brandenburg gut zusammengearbeitet habe. Gleichzeitig habe ich bereits in meiner Zeit im Potsdamer Oberlinhaus Einblicke in den Bereich Eingliederungshilfe gewinnen können.
Ich bin überzeugt, dass Thomas Gottschall und ich uns sehr gut ergänzen. Wir beide haben unterschiedliche Ansätze, aber ein gemeinsames Ziel: das Unternehmen qualitativ und nachhaltig in die Zukunft zu führen.
► „Wir haben unterschiedliche Ansätze, aber ein gemeinsames Ziel: das Unternehmen qualitativ und nachhaltig in die Zukunft führen.“
Robert Winkelmann, Geschäftsführer der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Potsdam
Herr Gottschall, Herr Winkelmann: Was ist ihrer Meinung nach das Besondere an den DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Potsdam?
T. Gottschall: Die Angebotsvielfalt unserer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist etwas Besonderes: Die Druckerei oder die Kabelmontage, die Werkstattarbeit, unsere Wohnstätten mit der WG am Nuthedamm oder unser Inklusions-Café, das sich zu einer echten Institution in Potsdam-Drewitz entwickelt hat: Das Angebot ist seit dem Start am Standort Kohlhasenbrücker Straße im Jahr 2005 stetig gewachsen.
R. Winkelmann: Das hat dazu geführt, dass sich die DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Potsdam über die Jahre zu einem soliden Partner entwickelt haben, der für verschiedene Anliegen genau die richtige Adresse ist.
Außerdem sind das familiäre sowie kollegiale Miteinander zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Menschen mit Behinderung etwas Besonderes. Und auch, wenn wir in Potsdam eine eher kleine Werkstatt sein mögen: Wir sind Vollprofis und haben einen höchstmöglichen Qualitätsanspruch.
Herr Gottschall, welche Potentiale sehen Sie in den DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung?
T. Gottschall: Das Thema Werkstatt wird bereits seit vielen Jahren diskutiert. Es gibt Gründe, warum Werkstätten in der Form entstanden sind und es gibt Gründe, warum es Werkstätten auch in Zukunft gibt. Dennoch möchte ich das Gebilde Werkstatt für Menschen mit Behinderungen neu denken.
Das Ziel ist, gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Beschäftigen eine Vision einer Werkstatt zu entwickeln, die noch näher an den ersten Arbeitsmarkt rückt und mit transparenten Angeboten und konstruktiven Kooperationspartnern immer wieder die Übergänge für Menschen mit Behinderungen in ein sozialversicherungsfähiges Beschäftigungsverhältnis ebnet.
► „Ich möchte das Gebilde Werkstatt für Menschen mit Behinderungen neu denken.“
Thomas Gottschall, Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe beim DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig
Dabei sehe ich den Standort Potsdam als enorme Chance. Es gilt herauszuarbeiten, welche Kooperations- und Netzwerkpartner aus der Landeshauptstadt Potsdam es gibt, welche Unternehmen, Einrichtungen oder Initiativen ein besonderes Interesse am Thema Inklusion haben und vor allem, wie wir gemeinsam neue Wege für Menschen mit Behinderungen schaffen.
Mit vielen kleinen Maßnahmen, den richtigen Partnern und gemeinsamen Ideen sollen Angebote für Menschen mit Behinderungen nicht mehr am Rande der Gesellschaft, sondern mittendrin stattfinden. Nur so kann echte Inklusion entstehen.
Herr Winkelmann, Herr Gottschall: Welche Aufgaben wollen sie als Erstes angehen?
R. Winkelmann: Allein im Bereich Digitalisierung und Innovation wollen wir zeitnah Dinge umsetzen, zum Beispiel die Homepage der Werkstätten. Als Teil des DRK-Kreisverbands Potsdam/Zauch-Belzig sind die Werkstätten bereits im Angebots-Portfolio auf drk-belzig.de.
Die Unterseiten der Werkstätten auf der Kreisverbands-Webseite werden wir dementsprechend aktualisieren, damit die Werkstätten einen zeitgemäßen, professionellen Internetauftritt haben, der Externe von der Einrichtung und ihren vielfältigen Angeboten überzeugt.
T. Gottschall: Auch, wenn ich schon viele Kolleginnen und Kollegen kenne, werde ich mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Gespräche führen, um mich einerseits vorzustellen und andererseits über Stolpersteine, persönliche Bedürfnisse, aber auch Wünsche und Ziele zu sprechen. Denn der Baustein Mitarbeiterpflege und Anerkennung ist ein zentraler Baustein – neben team- und prozessorientierten Managementansätzen.
Außerdem bin ich der Meinung, dass wir uns, getrieben durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) – in vielen Feldern mehr der Realität annähern sollten. Dafür ist es zum Beispiel notwendig, den Berufsbildungsbereich (BBB) grundlegend zu überarbeiten und zu einer neuen Attraktivität zu verhelfen. Auch die Vernetzung mit lokalen Akteurinnen und Akteuren im Umkreis möchte ich schnellstmöglich angehen.
► „Es ist notwendig, den Berufsbildungsbereich zu einer neuen Attraktivität zu verhelfen.“
Thomas Gottschall, Fachbereichsleiter Eingliederungshilfe beim DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig
Herr Gottschall, welche mittel- und langfristigen Ziele haben Sie sich für ihre Arbeit in den Werkstätten gesetzt?
T. Gottschall: Drei Aspekte sind mir besonders wichtig:
- Erstens, die Werkstätten öffentlichkeitswirksam und transparent darzustellen – und damit für unsere Qualität zu werben und zu zeigen, wozu Menschen mit Behinderung in der Lage sind.
- Damit verknüpft ist zweitens, dass wir weiter daran arbeiten, Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen. Inklusion bedeutet schließlich, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt in der Mitte der Gesellschaft stehen. Sie dorthin zu bringen, schaffen wir nur gemeinsam im Team.
- Drittens möchte ich die Werkstatt und unsere Wohnangebote nachhaltig, ökologisch und wirtschaftlich leiten, da wir als Arbeitgeber natürlich eine soziale und wirtschaftliche Verpflichtung gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Beschäftigten haben.
All das wird nur dann funktionieren, wenn wir es schaffen, die unterschiedlichen Akteure, also Kostenträger, Kundinnen und Kunden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie vor allem Beschäftigte mit auf die Reise zu nehmen und eine gemeinsame Vorstellung von Angeboten für Menschen mit Behinderungen zu schaffen – und zu leben.
Herr Gottschall, Herr Winkelmann: Ihr Start in den Werkstätten geht mit dem Abschied von Jörg Schröder einher, der seit 2000 Geschäftsführer der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Potsdam gewesen ist. Wie haben sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten als neues Führungsduo empfangen?
R. Winkelmann: Jörg Schröder hat als langjähriger Geschäftsführer die Werkstätten als feste Größe etabliert und viele Tore für die Inklusion in Potsdam sowie in Brandenburg insgesamt geöffnet. Davon lebt die Einrichtung noch heute. Genauso vom fantastischen Team, das er über die Jahre aufgebaut hat. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es uns wirklich leicht gemacht und uns mit offenen Armen empfangen.
► „Die Einrichtung lebt vom fantastischen Team. Es hat uns mit offenen Armen empfangen.“
Robert Winkelmann, Geschäftsführer der DRK-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Potsdam
T. Gottschall: Nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch die Beschäftigten haben uns herzlich, aber auch erwartungsvoll empfangen. Das spricht sowohl für Herrn Winkelmann als auch für mich. Wir werden die geäußerten Wünsche und das ausgesprochene Vertrauen als unseren Kompass nutzen, um den zitierten Generationenwechsel erfolgreich zu meistern.
Inwiefern bedingt die Corona-Pandemie ihre Arbeit? Wie hat sie ihren Start in den Werkstätten beeinflusst?
T. Gottschall: In meiner Zeit als Abteilungsleiter Inklusion und Vielfalt im DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald habe ich vier Pandemie-Wellen mitgemacht und bin dementsprechend krisenerprobt. Dort ist es meine Aufgabe gewesen, Corona-Schutz- und Sicherheitskonzepte für insgesamt 13 Einrichtungen zu entwickeln und je nach Corona-Lage zu prüfen.
Infektions- und Quarantänefällen sorgten für ein Arbeiten unter extrem erschwerten Bedingungen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das genauso eine enorme Anstrengung wie für die Menschen mit Behinderung. Es ist eine besondere Herausforderung, die persönliche Beziehungsebene zu den Menschen mit Behinderung trotz Corona-Schutzmaßnahmen aufrechtzuhalten.
Dabei haben sich vor Ort alle absolut vorbildlich verhalten und entsprechende Corona-Maßnahmen beherzigt, egal, ob das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes oder entsprechende Corona-Schutzimpfungen. Dabei war es zentral, die erlebten Unsicherheiten und Ängste gemeinsam zu besprechen und kreative Lösungen zu finden.
R. Winkelmann: Wir freuen uns schon, wenn sich die Pandemie-Lage beruhigt und wir wieder unbeschwert mit unseren Beschäftigten und unserem Team zusammenkommen können. Vielleicht klappt das ja schon beim geplanten Frühjahrsputz, bei dem jeder und jede mit anpacken kann, um die Werkstätten auf Vordermann zu bringen.